Austern sind zweischalige Weichtiere (Bivalvia) die seit mehr als 250 Millionen Jahren die Küstengewässer der Erde bewohnen. Sie haben sich damit aus evolutionsbiologischer Sicht als äusserst erfolgreiche Tiere erwiesen.
Sie gelten in der Biologie auch als sogenannte Schlüsselspezies. Das heisst sie haben einen überproportional grossen Einfluss auf die Artenvielfalt ihres jeweiligen Ökosystems.
Weltweit gibt es mehrere Dutzend Arten in der Familie der essbaren Austern (Ostreidae), welche mehreren verschiedenen Gattungen zugeordnet werden.
In Europa werden nur zwei Austernarten kommerziell genutzt; die einheimische europäische Auster, Ostrea Edulis aus der Gattung Ostrea und die um 1970 zur Zucht eingeführte nordwestpazifische Felsenauster, Crassostrea Gigas aus der Gattung Crassostrea (syn. Magallana, siehe unten).
Sie werden in Frankreich auch als huître plate,flache Auster (Edulis) und huître creuse, bauchige Auster (Gigas) bezeichnet.
Crassostrea Gigas Ostrea Edulis
( huître creuse ) ( huître plate )
Ostrea Edulis
Die Europäische flache Auster war früher in Europa weit verbreitet und die dominierende Austernart, hat aber heute nur noch einen kleinen Anteil am Gesamtmarkt. Sie ist bei Feinschmeckern sehr beliebt und wird gerne als Spezialität zu entsprechend hohen Preisen verkauft. Sie hat etwas festeres Fleisch mit einer feinen Haselnussnote. Oft wird die flache Auster auch als Bélon bezeichnet nach dem Fluss in der Bretagne in dessen Mündungsgebiet sie besonders gut gedeiht. Nicht alle Bélon die als solche verkauft werden sind auch wirklich von dort, da der Name nie rechtlich geschützt wurde.
Ostrea Edulis wächst langsamer als die Pazifische Auster und ist anfälliger für Krankheiten, was ihre Wirtschaftlichkeit in der Austernzucht beeinträchtigt. Im Gegensatz zur Pazifischen Auster wird Ostrea Edulis auch heute noch teilweise als Wildfang auf dem Markt angeboten (huîtres sauvages).
Die natürlichen Bestände der flachen Auster wurden durch Überfischung schon seit dem 18. Jahrhundert, sowie durch Virusinfektionen, Umweltverschmutzung und bauliche Veränderungen der Küsten stark dezimiert. Nach über zwei Jahrhunderten des Niedergangs war der Tiefpunkt um 1980 herum erreicht. Sie gilt heute in freier Natur wissenschaftlich gesehen als "funktional ausgestorben", das heisst die verbliebenen Populationen sind zu klein und zu isoliert um ein langfristiges Überleben zu garantieren. Eine direkte Folge der Krise der 1970er Jahre war die Einführung der pazifischen Felsenauster in Europa, es muss sich erst zeigen welche Auswirkungen dies auf den Fortbestand der flachen Auster hat.
Seit einigen Jahren wird die Europäische Auster wieder vermehrt gezüchtet, sowohl für den Handel wie auch für Wiederansiedlungprogramme in geeigneten Naturschutzzonen. Man wird sehen ob es gelingt den bisherigen Trend umzukehren.
https://archimer.ifremer.fr/doc/00866/97806/106890.pdf
https://archimer.ifremer.fr/doc/00869/98131/107431.pdf
https://archimer.ifremer.fr/doc/00742/85402/90462.pdf
https://archimer.ifremer.fr/doc/00836/94781/102291.pdf
Crassostrea Gigas
Die Nordwestpazifische Felsenauster hat sich wegen ihrer Robustheit und Anpassungsfähigkeit Weltweit bei den Austernzüchtern durchgesetzt. Ihr Marktanteil liegt heute bei über 90 Prozent weltweit. Sie wurde ab den 1970er Jahren aus Japan in den europäischen Austernzuchten eingeführt und ersetzte hier die Portugiesische Felsenauster (Crassostrea Angulata), welche von einer Virenepidemie dezimiert wurde.
Zwar handelt es sich bei Crassostrea Gigas um eine neue Art ( Neobiota ), welche sich in Europa schnell verbreitet hat. Dennoch scheint sie auf die Bestände der flachen Auster wenig Einfluss zu haben da diese, einst in Europa weit verbreitet, schon vor der Ankunft der pazifischen Auster kollabiert sind.
Crassostrea Angulata
Die Portugiesische Auster wurde lange als einheimische Art angesehen. Neuere genetische Studien deuten jedoch auf eine Herkunft aus Ostasien, wobei sie mit Crassostrea Gigas eng verwandt oder sogar identisch sein soll. Man vermutet dass sie an den Rümpfen von portugiesischen Handelsschiffen schon im 16. Jahrhundert nach Europa kam und sich im Südwesten der Iberischen Halbinsel ausgebreitet hat. Von dort wurde sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die Austernzucht nach Frankreich gebracht. Es gibt sie weiterhin in Spanien und Portugal, aber wirtschaftlich spielt sie in Europa keine Rolle mehr. Nennenswerte Populationen gibt es noch in Taiwan wo sie auch gezüchtet wird.
Genetic differentiation in natural populations of Crassostrea angulata.pdf
Différenciation Génétique de Crassostrea gigas et Crassostrea angulata.pdf
Crassostrea Gigas versus Magallana Gigas
Gestützt auf zwei Studien der italienischen Molekularbiologen Salvi und Mariottini, wurde Crassostrea Gigas 2017 vom World Register of Marine Species der neu geschaffenen Gattung Magallana zugeordnet. Diese Neutaxierung betrifft alle im pazifischen Raum beheimateten Arten der Gattung Crassostrea. So auch die in den Vereinigten Staaten beliebte Crassostrea Sikamea, bekannt als Kumamoto Auster und natürlich auch Crassostrea Angulata. Sie heissen neu Magallana Sikamea und Magallana Angulata.
Die atlantischen Arten von Crassostrea, wie die an der Ostküste Nordamerikas heimische Crassostrea Virginica sind von dieser Neutaxierung nicht betroffen.
Die ungewöhnlich schnell vorgenommene Änderung aufgrund nur zweier Studien aus einem einzigen Fachbereich wurde in wissenschaftlichen Kreisen kritisiert.
Zwar gilt in der Wissenschaft neu der Name Magallana Gigas jedoch darf auch weiterhin der Name Crassostrea Gigas als Synonym verwendet werden. Vor Allem in Handel und Gastronomie ist der neue Name noch nicht angekommen.
Der Austernknacker wird der Einfachheit halber vorläufig weiter die Bezeichnung Crassostrea Gigas gebrauchen.
https://www.seatraces.eu/crassostrea-gigas-or-crassostrea-angulata/
Crassostrea gigas or Magallana gigas, pdf
Fossile Austern im Whanganui Tal in Neuseeland, etwa 2,5 Millionen Jahre alt